Ja und jetzt, was heißt das konkret?
Das ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, die den Dickdarm betrifft, Ursprung unbekannt, wahrscheinlich Stress, der eine Autoimmunreaktion auslöst, der Körper greift sich selbst an. Therapievorschlag in der Akutphase: Kortison.
Das waren die erklärenden Worte des Herrn Doktor.
Ich wußte nur, dass ich Blut im Stuhl hatte, dann Stuhl im Blut-die ganze Klomuschel war rot.
Warum ich, genau jetzt? Das ist wohl die häufigste Frage. Ich bin Sportler, so etwas brauche ich nicht. Und wenn, hat ein Sportler eine Patellasehnenentzündung, einen Kreuzbandriss, oder einen Knochenbruch. Für eindimensional Denkende ist dann gleich eine Erklärung gefunden, warum, wieso, weshalb und was tun.
Hier stand ich vor einem Rätsel. Sonst war mein probates Mittel, wenn etwas nicht klappen wollte, oder hakte, Schmerzen negieren, mit dem Kopf durch die Wand, sich verbeißen und nur ja keine Schwäche zeigen.
Hier funktionierte dieser Ansatz aber nicht. Ich war vollkommen ausgelaugt und hatte zu nichts Lust, musste mich zwingen. Die Brachialvariante war also nicht dienlich, Lethargie stellte sich ein und ließ nur Raum für mehr Gedanken, Gedanken zur Zukunft, ahhh, natürlich immer genau vor den Wettkämpfen.
Es dauerte noch eine Weile, bis ich von der Symtombehandlung zur Ursachenforschung wechselte.
Ein Auslöser war eine Untersuchung in Innsbruck-Anreise mit dem Zug, Kamera in den Hintern, aus Platzmangel mit entblößter Rückseite auf dem Gang auf die Diagnose wartend-Scham.
Herr Kreiner, ihr Dickdarm ist enorm entzunden.
Für diesen Hinweis, hätte ich keinen Einlauf und hochauflösende Bilder meines Inneren gebraucht. Ich sah ja die Auswirkungen x-mal am Tag, wenn ich aufs Klo eilte.
Das kann es nicht sein! Erst nackt wartend, dann ohne Dusche und Lösung wieder entlassen, äußerlich wahrscheinlich sauber, doch ich fühlte mich schmutzig nach der Untersuchung und menschenunwürdig behandelt.
Ich schwor mir diese Tortur nie mehr in meinem Leben über mich ergehen zu lassen.
Das Gute, wenn einem die Schulmedizin keine Perspektive anbieten kann, man darf Eigenverantwortung übernehmen und sich kennen lernen. In diesem Moment konnte ich jedoch diese Sichtweise noch nicht teilen, ich war vielmehr verzweifelt, ein Opfer,ein armes Ich.
Zum Glück hatte ich Felsen in der Brandung, die mich nicht ertrinken ließen und mich motivierten die Segel zu setzen, die Opferrolle mit jener des Kapitäns zu tauschen und der Ursache entgegen zu segeln.
Die Gretchenfrage, die mir ein Freund stellte, war schon ein bedeutender Hinweise, auf Land in Sicht.
Sag, wie stehst bei dir mit der Liebe-mit der Eigenliebe?
Das hatte ich mir so noch nie durch den Kopf gehen lassen. Mag ich mich, alles an mir, oder nur den erfolgreichen Wettkämpfer?
Mit dem ehrlichen beantworten der Fragen war der Stapellauf getan, die Segel blähten sich, doch noch ein paar Schübe waren notwendig, um mich wieder vollkommen auf das Ziel auszurichten, wenn ich vom Kurs abgekommen war.
Ein genaues Rezept, einen Stein der Weisen, kann ich nicht anbieten. Sich so annehmen und bedingungslos lieben , wie man ist, ist aber sicher ein grundlegender Bestandteil des Ganzen.
Angst hingegen stellt sicher die größte Hürde dar. Früher brauchte ich nur beiläufig das Wort ‚Darm‘ in irgendeinem Zusammenhang zu hören, der Kopf spielte verrückt und die Angst ließ mich nach Symptomen Ausschau halten, bis sie da waren.
Ein Meilenstein war erreicht, als ich spürte, dass die Angst verflogen war. Das Hineinhören hatte Wirkung gezeigt.
Der Darm ist heute wieder ein geschätzter, wichtiger Teil von mir und ich bin froh, dass er mir mit seinem Aufbegehren als Wegweiser dienlich war.